»Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.« (Tolstoi, Anna Karenina)
Die Regisseurin Jennifer Peterson entwirft mit den Schauspielerinnen Sophie Arbeiter und Viktoria Miknevich einen szenisch-choreographischen Abend über eine Frau, die aufgehört hat zu schlafen, um endlich wieder träumen zu können und so ihrem unbekanntem bösen Omen gegenübertritt.
Das Stück verwendet literarische Texte aus verschiedenen Epochen und stellt dabei zwei Frauenfiguren gegenüber, die auf unterschiedliche Weise aus ihrem Leben ausbrechen. Female Fantasies benutzt dabei sehr
frei Motive des japanischen Schriftstellers Haruki Murakami und des russischen Klassikers Anna Karenina von Leo Tolstoi.
Premiere: 05. Januar 2019
Casino Werkhaus, Nationaltheater Mannheim +
SUMMER UP – Theater- und Musikfestival
Besetzung:
Sophie Arbeiter als Bewusstsein 1
Viktoria Miknevich als Bewusstsein 2
Regie: Jennifer Peterson
Bühne & Kostüme: Marina Schutte
Presse
„…Die beiden jungen Schauspielerinnen führen dieses Kammerspiel im beengten Raum des Casino Werkhaus bisweilen beklemmend intensiv auf. Mal im verbalen Wechselspiel, aber immer wieder auch chorisch verleihen sie einer Anna Kontur, die sich nach Jahren der Abstinenz in diebischer Wonne die Schokolade selbst von der Haut ableckt, die den „klaren, starken Geschmack von Alkohol“ in ihrem Rachen genießt und Tolstois „Anna Karenina“ allein in der ersten schlaflosen Woche dreimal durchpflügt.
Tagsüber will ihre Insomnia niemandem wirklich auffallen. Jede Sorge erweist sich als unberechtigt. Die Haut wird straffer. Die lästigen Mechaniken zwischen Kochen und Einkaufen verkümmern zur Pflicht. Sinn und Sinnlichkeit übernehmen ihr Regiment. So weit, dass Berührungen, Zärtlichkeiten, Küsse eine längst vergessene Fantasie wieder auf den Plan rufen.
Die Spazierfahrten an den nächtlichen Hafen werden zum Befreiungsschlag; die gewonnenen Stunden ergeben den inneren Triumph einer Persönlichkeit, die die Rastlosigkeit zum, wie es einmal heißt, „transzendentalen Evolutionsmodell“ umgewidmet hat. So heftig, so schön und rein, dass die Unendlichkeit für diese längst nicht mehr genügsame Hausfrau einen herrlich poetischen Moment lang greifbar zu sein scheint. Jede Kritik wäre dann nur noch ein dumpfes Abtauchen in die eingeschränkte Weltsicht der spießigen Schläfer.
Doch dann senken sich auch ihre Lider plötzlich wieder – nach 17 Tagen und der siegreichen Schlacht um die eigene Unabhängigkeit. Was Anna und jede weitere Frau von heute damit anfangen mag? Jennifer Peterson lässt die Antwort im Traum versinken und führt uns damit aufs Fantasievollste zu Bert Brecht, dessen Bonmot man selten je so schön verstehen durfte: „Der Vorhang zu und alle Fragen offen.“ „
© Mannheimer Morgen, Montag, 07.01.2019