Premiere: 28.11.2019
Regie: Jennifer Peterson
Bühne: Marina Schutte
Kostüme: Tamara Priwitzer
Musik: Friedrich Byusa Blam
Licht: Björn Klaassen
Dramaturgie: Lena Wontorra
Studio Werkhaus, Nationaltheater Mannheim
Besetzung:
Ragna Pitoll | als | Veronika Voss |
Nikolas Türkserver | als | Robert Krohn |
Sophie Arbeiter | als | Dr. Katz und Henriette |
Samuel Koch | als | als Max Rehbein und Treibel 2 |
Matthias Breitenbach | als | Redakteur, Treibel 1, Dr. Edel und weitere… |
Veronika Voss hat ihre besten Zeiten hinter sich. Vor dem zweiten Weltkrieg war sie berühmte Filmschauspielerin, in der Nachkriegs-BRD sucht sie vergeblich nach Anerkennung. Trost findet sie bei Frau Dr. Katz, die Veronikas Leid mit Morphium betäubt. Robert Krohn ist Sportjournalist und leidet auf andere Weise unter dem Druck, den das gesellschaftliche System ausübt: ausgebrannt bewegt er sich zwischen seinem Job und dem Zusammenleben mit seiner Freundin Henriette. Als er zufällig Veronika Voss kennenlernt, scheint er allmählich zu erwachen und versucht, sie zu retten. Er bleibt Spielball seines Schicksals – schlussendlich Henriette ist diejenige, die die Dinge in die Hand nimmt.
Das hier herrschende rigide System macht die darin lebenden Menschen stumpf. Betäubung und Schweigen liegt auf dem Miteinander. Rainer Werner Fassbinder fragt in seinen Filmen danach, »warum Menschen kaputt gehen«. Zwischen den Personen existieren unterschiedliche Abhängigkeitsverhältnisse, die vor allem davon geprägt sind, dass jeder und jede versucht, einen Platz zwischen Anpassung und individueller Anerkennung zu finden. Doch das Korrektiv ihrer Mitmenschen engt sie ein, nagelt sie fest, macht sie unfrei. Denn was nicht in das Raster passt, das die gesellschaftliche Ordnung verlangt, wird passend gemacht: Zusammengepackt und einsortiert tauchen beispielsweise die Treibels als Holocaust-Überlebende auf. Auch sie sind Patienten von Dr. Katz und geben ihr gesamtes Hab und Gut wie Veronika für schmerzlindernde Spritzen. Doch der Schmerz des Faschismus‘ lässt sich nicht mit Medikamenten behandeln. Im Gegenteil führen alle Versuche der Figuren, ihren Sehnsüchten zu folgen, nur zu einer Verlängerung ihres Leids. Das System sieht nicht vor, dass es eine Aufarbeitung, eine Auseinandersetzung und ein Anerkennen von individuellen Geschichten und Bedürfnissen geben kann.
(Lena Wontorra)
Presse
»Ragna Pitolls Veronika Voss ist in der ganz auf sie ausgerichteten Inszenierung von Jennifer Peterson ein Solitär, dessen facettenreicher Glanz alles andere in den Schatten stellt. [...] Am Ende darf sie in Schönheit sterben: Nach einem letzten großen Auftritt mit dem Sehnsuchtssong "Memories Are Made of This" versinkt sie in den wogenden Fellmassen ihres weißen Pelzmantels.«
(Rhein-Neckar-Zeitung, 03.12.2019)
»Veronika Voss ist die Filmdiva, die nach dem Krieg auf eine zweite Karriere hofft und sich mit Morphium vollpumpt, um das Unvermeidliche nicht spüren zu müssen – die eigene Überflüssigkeit. 1982 erschien der Film, da passte das Gefühl der Orientierungslosigkeit in die BRD-Tristesse. Man mochte diese Art von Schauspielerinnen, erinnerte sich gut an sie. Inzwischen aber hat die Diven-Nummer eine gewisse Patina bekommen, die man erst mal wegkratzen müsste, um zu dem Interessanten durchzudringen, was die Figur ausmacht.«
(Süddeutsche, 02.12.2019)
»Ragna Pitoll spielt die Veronika Voss mal arrogant, mal wehleidig, mal neurotisch. Vor allem die Gesangspassagen sind gelungen. Trotzdem bleibt die Inszenierung von Jennifer Peterson recht nah an Fassbinders Vorlage. Vielleicht ist es aber auch schwierig, einen Film für das Theater umzusetzen, bei dem es so sehr um das Medium Film geht.«
(SWR2, 29.11.2019)